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Am Vorabend des 10. Oktober 2018 fand am Völkermarkter Hauptplatz die traditionelle Gedenkveranstaltung zu Ehren des Kärntner Abwehrkampfes sowie der Volksabstimmung des Jahres 1920 statt. Im Rahmen der Feierlichkeiten wurde Schüler Johannes Hobel die Ehre zuteil, den Prolog zu sprechen. In seiner Rede blickte er nicht nur auf die Kärntner Geschichte der letzten rund einhundert Jahre zurück, sondern präsentierte auch die Sichtweisen einer neuen Generation: Sie erfährt die kulturelle Vielfalt, die Mehrsprachigkeit und damit die Geschichte des Landes als bedeutenden Wert und als Vorteil in einem geeinten Europa. Für dieses diene gerade Südkärnten als eine Modellregion, um zu zeigen, wie ein Zusammenleben verschiedener Sprachen und Kulturen funktionieren kann.

Lesen Sie nachfolgend Auszüge aus seiner Rede.


Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Liebe Ehrengäste!
Sehr verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer!

[…] Der Erste Weltkrieg wurde zwischen 1914 bis 1918 geführt. Er begann mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, wenig später beteiligten sich 40 Staaten am bis dahin umfassendsten Krieg der Geschichte. Etwa 17 Millionen Menschen verloren ihr Leben.

Mit der Ausrufung der Republik Deutschösterreich am 12. November 1918 war die Auseinandersetzung noch nicht zu Ende. Schon eine Woche zuvor drangen Truppen des SHS-Staats in Südkärnten ein und besetzten kurzzeitig auch Völkermarkt. Die Volksabstimmung sollte fast zwei Jahre später den Verbleib Südkärntens bei Österreich bringen. Das gelang auch dank zahlreicher Stimmen der slowenischsprachigen Volksgruppe.

Die sogenannte „Deutsche Kärntner Landeszeitung“ mit dem Titel „Freie Stimme“ schrieb vier Tage nach der Abstimmung:

Freuen wir uns, daß der Zug der Karawanken auch in Hinkunft die ewige und unbezwingbare Grenze zwischen dem alten deutschen Kulturboden […] und dem Balkanreiche bilden wird, daß das tapfere Völkermarkt, [das] liebliche Rosen- und Jauntal, das schwer geprüfte Bleiburg und der einzig schöne Wörthersee wieder ganz uns gehören.

Im selben Bericht über den „Sieg der Kärntner Heimattreue“, so der Titel, heißt es aber auch: „Zurück Tschuschen! Zurück, Ihr Bedrücker, über den Loibl und Seeberg!“ – und das erinnert uns an Feindseligkeit, Gewalt und Terror, mitten in unserer Heimat. Das erinnert uns an die Ablehnung des anderen, des Nachbarn, aufgrund seiner Vorfahren, aufgrund althergebrachter Traditionen, aufgrund von Sprache. […]

Wenn ich also an diesem Tag der Volksabstimmung gedenke und hier sprechen darf, dann tue ich das in der Hoffnung, dass wir diese Zeit der Auseinandersetzung überwinden können, dass eine neue Generation, meine Generation, der kulturellen Vielfalt, der Mehrsprachigkeit im geeinten Europa und unserer Geschichte jenen Wert beimessen kann, den sie besitzen sollte.

[…] Warum ist es immer noch, fast einhundert Jahre später, so, dass es bei manchen eine bewusste Abneigung gegen die slowenische Sprache und Kultur gibt? Wieso verleugnen Menschen ihre Herkunft und vielmehr ihre Identität?

Maja Haderlap schrieb in ihrem Buch „Engel des Vergessens“ folgende Worte:

Ich gehe durch die Schule der Minderheitenfeststellung in Kärnten und begreife die Aussage der Parole, die auf den Plakaten prangt: Wähle Deutsch, wenn du kein Slowene sein willst. Das Slowenische ist also etwas Unerwünschtes im Land. Das erste Mal begreife, was mit dem Wort Zugehörigkeit gemeint sein könnte. [Anm.: Beschrieben wird die Situation der Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts.]

Ich persönlich sehe die Zweisprachigkeit jedenfalls als Vorteil und bin froh, in einem Gebiet, in dem zwei Sprachen gesprochen werden, beide in Schrift und Sprache zu beherrschen.

Immer wieder heißt es, Sprachen öffnen dir die Welt. Gehört Slowenisch auch dazu oder ist es eine Ausnahme? Und warum löst die Zweisprachigkeit in der Region bei manchen so viele negative Emotionen aus und warum gibt es Menschen, die nicht den Mut aufbringen, in der Öffentlichkeit Slowenisch zu sprechen? Warum zögert man, einem Künstler den höchsten Preis des Landes zu verleihen, weil er auf Slowenisch schreibt? Ist es denn beinahe einhundert Jahre nach der Volksabstimmung 1920 immer noch unerwünscht, diese Sprache zu sprechen, wie Haderlap schreibt?

Wenn ich in der Öffentlichkeit meine Sprache verstecke, verleugne ich meine Herkunft, meine Heimat und das ist für mich keine Option.

Lasst uns gemeinsam endgültig die Abneigung gegen die Zweisprachigkeit in der Region überwinden und die kulturelle Vielfalt Europas genießen. Lasst uns gemeinsam in einem geeinten, friedlichen und schönen Europa leben. Kärnten und gerade unser Bezirk kann hier ein Vorbild sein.


Die gesamte Rede finden Sie hier.