Im Rahmen des Projekts The Love Parade. Sexualität im Wandel der Zeit beschäftigt sich die 2AK aktuell im Deutschunterricht mit dem Roman Wunschleben von Vera Nentwich. Anja Köhler, die Protagonistin, lebt erst seit ihrer Genitalkorrektur als Frau und wagt sich nach Jahren der selbstgewählten Isolation Schritt für Schritt ins (Liebes-)Leben.

Als Höhepunkt der Auseinandersetzung mit dem Roman gastierte heute die deutsche Autorin Vera Nentwich online im Unterricht und stellte sich den Fragen der Klasse. Besonders im Fokus standen der 2010 fertiggestellte Roman sowie der persönliche Zugang der Autorin zum Thema. „Dieser Roman war mein erstes Buch und natürlich ging es auch darum, meinem eigenen Leben Sichtbarkeit zu geben.“

Trotzdem verwehrt sich Nentwich dagegen, den Roman autobiographisch zu deuten. „Natürlich gibt es Parallelen und Bezüge, allerdings auch zu anderen Personen mit ähnlichen Erfahrungen. Ich bin ein anderer Typ als die Hauptfigur, ich könnte mich nicht so sehr zurückziehen, wie sie es tut“, so Nentwich, die sich selbst als „Frau mit männlichem Migrationshintergrund“ bezeichnet. „Der Begriff ‚Trans-Frau‘ relativiert aus meiner Sicht die Weiblichkeit zu sehr.“

Mit Blick auf den Roman erklärt Nentwich, dass nicht der medizinische Eingriff der Schlüsselmoment sei. „Der Knackpunkt findet sich häufig erst Jahre später, wenn es darum geht, seine neue Identität zu erkennen und damit zu leben.“ Als Role Model dafür wolle sie sich nicht sehen („Dafür bin ich wohl nicht der Typ.“), dennoch geht Nentwich selbstbewusst und vor allem humorvoll mit dem Thema um, auch in einem eigenen Kabarettprogramm mit dem Titel Frausein ist auch keine Lösung.

Ein besonderes Highlight: Julian Ograjensek, Schüler der 2AK, präsentierte live einen Text, den er zum Roman verfasst hat – und berührte damit die Autorin. Den Text finden Sie auf unserem Kulturblog.

Foto: Thomas Nentwich

Einblicke in die Arbeit als Autorin

Nentwich, die in Willich am Niederrhein lebt und als studierte Verfahrenstechnikerin heute als selbständige Unternehmensberaterin aktiv ist, gab den Jugendlichen zudem Einblicke in ihren Alltag als Autorin. „Ich bin eine Morgenschreiberin und versuche als Start in den Tag konsequent an meinen Projekten zu arbeiten. Ein Roman schreibt sich nicht in einem Zug, es ist eher wie beim Verspeisen eines Elefanten: Es geschieht in kleinen Stücken.“ Wunschleben, ihr Erstlingswerk, fand lange keinen Verlag, mit anderen Texten versuchte sich Nentwich im Selfpublishing. „Jährlich erscheinen gut 120.000 Bücher. Da ist es nicht einfach, die Zielgruppe zu erreichen.“

Seit rund einem Jahrzehnt verantwortet sie ihre Projekte weitestgehend selbst. „Kosten entstehen für das Lektorat und das Coverdesign, andere Dinge übernehme ich selbst. Als kleinere Autorin verdiene ich dadurch besser, als wenn ein großer Verlag meine Werke als Taschenbuch drucken würde“, erklärt Nentwich, die sich selbst im Deutschen Selfpublisher-Verband engagiert. Wunschleben erschien schließlich im Größenwahn-Verlag. „Reich und berühmt werden ist sicher noch ein Ziel“, lacht Nentwich.

Mehr zu Vera Nentwich finden Sie hier: https://www.vera-nentwich.de/